Wir wurden in Empfang genommen, auf die Gruppen verteilt und befanden uns
bald im Kreise bärtiger, lehmbekrusteter Gesellen, die uns mit einem
gewissen ironischen Wohlwollen begrüßten. Wir wurden gefragt, wie es in
Hannover aussähe, und ob der Krieg denn noch nicht bald zu Ende gehen
sollte. Dann drehte sich das Gespräch in eintöniger Kürze um Schanzen,
Feldküche, Grabenstücke und andere Angelegenheiten den Stellungskrieges.
Nach einiger Zeit erscholl vor der Tür unseres hüttenartigen Aufenthaltes
der Ruf: »Heraustreten!« Wir traten bei unseren Gruppen an und stießen auf
das Kommando: »Laden und Sichern!« mit geheimer Wollust einen Rahmen
scharfer Patronen ins Magazin.
Dann ging es schweigend Mann hinter Mann querbeet durch die nächtliche, von
dunklen Waldstücken besäte Landschaft. Ab und zu verhallte ein einsamer
Schuß, oder eine Leuchtkugel strahlte zischend auf, um nach kurzer,
geisterhafter Beleuchtung eine noch tiefere Dunkelheit zu hinterlassen.
Monotones Klappern von Gewehr und Schanzzeug durch den Warnungsruf:
»Achtung, Draht!« unterbrochen. Wie oft bin ich nach diesem erstenmal in
halb melancholischer, halb erregter Stimmung durch ausgestorbene
Landschaften zur vorderen Linie geschritten!
[…]
Endlich verschwanden wir in einem der Laufgräben, die sich wie weiße
Schlangen durch die Nacht zur Stellung wanden. Dort fand ich mich einsam
und fröstelnd zwischen zwei Schulterwehren wieder, angestrengt in eine vorm
Graben liegende Tannenreihe starrend, in der meine Phantasie mir allerhand
Schattengestalten vorgaukelte, während ab und zu eine verirrte Kugel durchs
Geäst klatschte. Die einzige Abwechslung in dieser schier endlosen Zeit
war, daß ich von einem älteren Kameraden abgeholt wurde und mit ihm durch
einen langen, schmalen Gang zu einem vorgeschobenen Postenloch trottete, in
dem wir wiederum damit beschäftigt waren, das Vorgelände zu betrachten.
Zwei Stunden durfte ich in einem kahlen Kreideloche versuchen, den Schlaf
der Erschöpfung zu finden. Als der Morgen graute, war ich bleich und
lehmbeschmiert wie die anderen, und es war mir, als ob ich dieses
Maulwurfsleben schon monatelang geführt hätte.
Der große Augenblick war gekommen. Die Feuerwalze rollte über die ersten
Gräben hinweg. Wir traten an.
In einer Mischung von Gefühlen, hervorgerufen durch Blutdurst, Wut und
Alkoholgenuß gingen wir im Schritt auf die feindlichen Linien los. Ich war
weit vor der Kompagnie, gefolgt von meinem Burschen und einem Einjährigen.
Die rechte Hand umklammerte den Pistolenschaft, die linke einen Reitstock
aus Bambusrohr. Ich kochte vor einem mir jetzt unbegreiflichen Grimm. Der
übermächtige Wunsch zu töten, beflügelte meine Schritte. Die Wut entpreßte
mir bittere Tränen.
Der ungeheure Vernichtungswille, der über der Walstatt lastete,
konzentrierte sich in den Gehirnen. So mögen die Männer der Renaissance von
ihren Leidenschaften gepackt sein, so mag ein Cellini gerast haben,
Werwölfe, die heulend durch die Nacht hetzen, um Blut zu trinken.
Ohne Schwierigkeiten durchschritten wir ein zerfetztes Drahtgewirre und
setzten in einem Sprunge über den ersten Graben. Die Sturmwelle tanzte wie
eine Reihe von Gespenstern durch weiße, wallende Dämpfe.
Wider Erwarten knatterte uns aus der zweiten Linie Maschinengewehrfeuer
entgegen. Ich sprang mit meinen Begleitern in einen Trichter. Eine Sekunde
später gab es einen furchtbaren Krach und ich sackte vorn über. Vinke
packte mich am Kragen und drehte mich auf den Rücken: »Sind Herr Leutnant
verwundet?« Es war nichts zu finden. Der Einjährige hatte ein Loch im
Oberarme und versicherte stöhnend, daß ihm eine Kugel in den Rücken
geschlagen wäre. Wir rissen ihm die Uniform vom Leibe und verbanden ihn.
Die aufgewühlte Erde zeigte, daß ein Schrapnell in Höhe unserer Gesichter
auf den Trichterrand geschlagen war. Ein Wunder, daß wir noch lebten.
Währenddessen waren die anderen an uns vorbeigeschritten. Wir stürzten
ihnen nach, den Verwundeten seinem Schicksal überlassend. Halb links vor
uns tauchte der mächtige Eisenbahndamm Ecoust-Croisilles, den wir
überschreiten mußten, aus dem Dunst. Aus eingebauten Schießscharten und
Stollenfenstern prasselte Gewehr- und Maschinengewehrfeuer.
Auch Vinke war abhanden gekommen. Ich folgte einem Hohlweg, aus dessen
Böschung eingedrückte Unterstände gähnten. Wütend schritt ich voran, über
den schwarzen, aufgerissenen Boden, dem noch die stickigen Gase unserer
Granaten entschwelten.
Da erblickte ich den ersten Feind. Eine Gestalt kauerte etwa drei Meter vor
mir, anscheinend verwundet, in der Mitte der zertrommelten Mulde. Ich sah
sie bei meinem Erscheinen zusammenfahren und mich mit weit geöffneten Augen
anstarren, als ich ganz langsam, die Pistole vorstreckend, auf sie
zuschritt. Zähneknirschend setzte ich die Mündung an die Schläfe des vor
Angst Gelähmten; mit einem Klagelaut griff er in seine Tasche und hielt mir
eine Karte vor Augen. Es war das Bild von ihm, umgeben von einer
zahlreichen Familie . . .
Nach sekundenlangem inneren Kampfe hatte ich mich in der Hand. Ich schritt
vorüber.
Von oben sprangen Leute meiner Kompagnie in den Hohlweg. Mir war glühend
heiß. Ich riß den Mantel herunter und schleuderte ihn fort. Ich weiß noch,
daß ich einigemale sehr energisch rief: »Jetzt zieht Leutnant Jünger seinen
Mantel aus«, und die Füsiliere dazu lachten, als ob ich den köstlichsten
-
Riassunto esame Storia dell’arte medievale, Prof. Fabrizio Crivello, Libro Consigliato Arte Altomedievale, autore E…
-
Riassunto esame Letteratura Tedesca del docente Giovanna Cermelli, libro consigliato "Der deutsche Hinkelmann" (Il …
-
"Espressionismo": James Ensor, Edvard Munch, Die Brücke (espressione di un disagio), Ernst Ludwig Kirchener e Fauv…
-
Ernst Theodor Amadeus Hoffmann